Günther Förg: Werke in der Sammlung Friedrichs
Texte Hans Werner Holzwarth, Brunhilde & Günther Friedrichs, Christian Malycha, Florian Rehn, Andreas Denk, Uwe Schröder, Herbert Kopp, Olaf Metzel, Paul Schimmel, Max Hetzler, André Butzer, Hannah Eckstein, Ulrich Loock, Regine Ehleiter
Deutsch / Englisch
Hardcover mit Schutzumschlag
24 x 30 cm
198 Seiten
163 Farb- und 5 Sw-Abbildungen
978-3-947127-12-2
60,00 Euro
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Günther Förg vereinte die widerstreitenden Extreme der Moderne, bewahrte sie mit all ihren uneingelösten Möglichkeiten und hielt sie lebendig. Damit stand er auf der Höhe einer Gegenwart, in der die Moderne keineswegs verloren, sondern überhaupt nicht bewältigt ist. Mit all ihrer Sinnlichkeit sind Förgs Bilder „Zeitbilder“. Sie haben Geschichte, weit über die vordergründige Abstraktion hinaus, verborgen vielleicht, aber immer spürbar. Oft sind es kleine, einfache, lakonische Gesten, die elementar menschlich sind und deren eigentliche Größe erst aus ihrer Verletzlichkeit erwächst ...
Das Buch fächert die ganze Breite des Werkes von Günther Förg auf, getrieben von der Leidenschaft des Sammlerehepaars Brunhilde und Günther Friedrichs. Der Hauptfokus liegt auf Förgs abstrakten Gemälden, die in locker ausgeführten Farbflächen und Mustern Positionen der modernen Malerei neu befragen. Mit den rauen Oberflächen seiner Masken, Stelen und Reliefs trägt Förg dann die Malerei in den Raum. Mit seinen Wandmalereien macht er den Ausstellungsraum selbst zum Kunstwerk. In seinen Fotografien fängt er modernistische Architekturen mit der Lebendigkeit eines Schnappschusses ein. Und in seinen Ausstellungen setzt er all diese Elemente in einen Dialog.
Ausgehend von einem Gespräch mit den Sammlern wird jeder Werkbereich in einem eigenen Essay erkundet: Christian Malycha schreibt über die Malerei, Hannah Eckstein über die skulpturale Entwicklung des Werks in den Raum hinein. Ulrich Loock blickt auf das fotografische Werk, Regine Ehleiter auf die zahlreichen Künstlerbücher, in denen Förg sein Schaffen fortführte. Das Verhältnis zur Architektur beleuchtet ein Text von Andreas Denk und dem Architekten Uwe Schröder, der das Haus auf der Hostert für die Friedrichs im Hinblick auf ihre Sammlung baute. Dazu kommen persönliche Beiträge der Künstlerkollegen Herbert Kopp, Olaf Metzel und André Butzer sowie von Kurator Paul Schimmel im Gespräch mit Galerist Max Hetzler, in denen wir der Persönlichkeit eines oft unbequemen Künstlers näherkommen. Aus den verschiedenen Blickwinkeln zeigt sich der Beziehungsreichtum zwischen den Werken der Sammlung und in Förgs künstlerischem Denken überhaupt, während sich die Sicht der Sammler auf das Werk in ihrer umfassenden wie präzisen Auswahl spiegelt.
EXPRESSIVITÄT GEBÄNDIGT, FORM GEFESSELT
(Auszug aus dem Essay von Christian Malycha)
Nach und nach erschließt sich Förg seine eigene Tradition, die sich vom frühen Expressionismus über den Abstrakten Expressionismus und die Minimal Art bis zur Konzeptkunst spannt und sowohl kühl analytische Serialität als auch verletzlich gestische Sinnlichkeit umfasst. Unabhängig und vollkommen anders als die sonstige Malerei der späten 1970er und frühen 1980er folgt Förg dabei seinem eigenen Gespür und entscheidet sich sowohl für die klare Form als auch für die expressive Geste. Er eignet sich sowohl die konzeptuelle Strenge als auch einen ungebundenen malerischen Ausdruck an. Er nimmt sich die Freiheit, vermeintlich unüberbrückbare Gegensätze wie Judd und Baselitz zusammenzubringen und malerisch vereint ein Ganzes aus ihnen zu machen – „um die widersprüchliche Klarheit der Form mit expressiver Behandlung zu erforschen“.
1973 beginnt er, seine ersten Bilder zu malen. Graue Bilder und sienafarbene. In weiten Schwüngen trägt er die Farbe mit einem Schwamm auf weiß grundierte Leinwände auf. Wobei diese Bilder durchaus farbig werden, sind sie doch höchst empfänglich für das farbige Umgebungslicht. Beständig und mit äußerster Konsequenz malt Förg jede Woche ein Bild. Mit jedem Bild vergewissert er sich seines Materials, wird vertrauter mit der Farbe, der eigenen Handschrift und Sprache, seinem eigenen Ausdruck. Farbe bringt Förg nie pastos, sondern dünn auf. Er bezieht den Bildgrund mit ein und hebt ihn durch die transparent lichte Farbe in die Anwesenheit. Von Anbeginn und in aller Offenheit legt Förg seine Bilder von Grund auf frei.
Zur Leinwand kommen ab 1976 Kupfer und Aluminium als Träger für seine Bilder hinzu, „um zu sehen, wie anders sie sich dadurch anfühlen“. Es entstehen kleine reliefartige Bildobjekte. Unbehandeltes Kupferblech über einem Holzkern. Eine aufrechte, nach oben und unten offene Fläche gesäumt von zwei hervorstehenden Kanten an den Seiten. Das glänzende Material spricht für sich und nimmt den umgebenden Raum doch in sanfter Reflektion in sich auf. Überhaupt scheint dieses Werk der Architektur entnommen zu sein, mit seinen auffälligen Zargen etwa dem Blendwerk einer vertäfelten Wand. Es ist bildhaft und mutet zugleich wie ein architektonisches Versatzstück an. Über derartige Werke lässt Förg die Zweidimensionalität der Leinwand immer weiter hinter sich und bewegt sich schließlich ganz in den Raum.
Seine erste Einzelausstellung in einem Münchner Jugendstilhaus ist 1980 beinahe eine „Nicht-Ausstellung“. Galerieraum und Wände bleiben leer. Was Förg zeigt, ist eine graue Malerei, mit der er die gesamte Decke fasst. Der architektonische Raum ist sein Ausgangspunkt und er begegnet ihm in aller Härte mit einer elementaren Setzung. Elementar ist diese Geste, da sie die ästhetische Erfahrung zuspitzt auf das Verhältnis von Raum, Ort, Körper. Jede Betrachterin, jeder Betrachter ist gegenüber der vorgefundenen räumlichen Struktur und dem malerischen Eingriff physisch gefordert, Stellung zu beziehen, den eigenen, unsicheren Ort zu finden und zu behaupten. Den Wandbildern muss „der eigene Körper entgegengesetzt werden ... das Gegengewicht unseres Körpers …“ |